Ein schleichender Prozess: Die Töne werden immer schiefer, eine
ganze Pfeifenreihe stillgelegt. Die Organistinnen tun alles, was
möglich ist, um die Mängel zu umspielen. Die Gottesdienstbesucher
gewöhnen sich daran. Aber irgendwann ist Schluss:
Mindestens eine der Gebläseleitungen ist gerissen und daher
undicht. Der Schaumstoffbelag der Ventile zersetzt sich, wodurch
Partikel in die Pfeifen geblasen werden. Die Klaviaturen sind
ausgespielt und die Führungen ausgeschlagen, ebenso wie die
Pedaltasten in ihren Führungen. Die Aluminiumwinkel laufen immer
zäher bzw. sind ausgeschlagen, wie es auch viele Wellenlager sind.
Das Gebläse vibriert. Schaumstoffe der Auskleidung des Gebläses
im Ansaugkanal zersetzen sich und werden in die Orgel geblasen. Die
Gebläsebälge sind verhärtet, viele Pfeifen beschädigt. Bei
einem Störungsfall im Pedal müsste die Orgel mehr oder weniger
abgebaut werden.
Es stellte sich die Frage, was zu tun ist. Der
Gemeindekirchenrat favorisierte eine neue Pfeifenorgel und der
Kirchenvorstand beschloss, den Neubau einer deutlich kleineren,
aber äußerst klangvollen Orgel in Angriff zu nehmen.
Hätte es nicht auch eine elektronische Orgel getan?
Hört man die Musik nur beiläufig, wird man die Frage bejahen.
Wären da nicht die Momente, in denen das Spiel der Pfeifenorgel
alle ergreift, die hören wollen. Augenblicke, in denen man sich
Gott nahe fühlen kann. Und wer das nicht kann, macht die Erfahrung
eines musikalischen Hochgenusses. Kalt lässt das niemanden. Ja,
das Kirchengebäude und die Pfeifenorgel dienen der Ausübung des
Glaubens. Sie gehören aber auch zu unserer Kultur. Sie sind ein
Teil von Heimat.
Aber kommt es nicht auf den Inhalt des Gottesdienstes an?
Unzweifelhaft. Nur ist eben das Orgelspiel wichtige Komponente
des Gottesdienstes. Erreicht man junge Leute dann nicht eher mit
einer Jugendband? Vielleicht vereinzelt. Allerdings gibt es gar
nicht genügend solcher Gruppen für die Gottesdienste in allen
Kirchen. Und mit unverklärtem Blick betrachtet: Sind es nicht auch
hier eher die Älteren, die deswegen in die Kirche kämen? Können
wir es nicht umgekehrt schaffen, durch Zusammenarbeit mit der
integrativen Kindertagesstätte und der Grundschule den Kindern
dieses großartige Instrument nahezubringen?
Doch ist eine Pfeifenorgel nicht viel zu teuer?
Sie ist sehr teuer. Die eigentliche Frage ist jedoch, was uns
Gemeindeleben und Kultur wert sind. Projekte, die eine ähnliche
Bedeutung für den Fortbestand von christlicher Kirche haben, sind
für die Gemeinde Wendthagen nicht erkennbar. Derartige Vorhaben
können nur realisiert werden, wenn viele sich zusammentun.
Begonnen hat's am 11.07.2021 mit einem Freiluft-Gottesdienst an der
Rogate-Kirche in Wendthagen. Spenden – ob aus religiöser oder
kultureller Überzeugung – helfen sehr.